Vorbestimmt durch Schicksal
oder nur ein Blatt im Wind
weiß ich bis heut‘ nicht mal
wer wir waren, wer wir sind.
(Herz verschenkt)
Schicksal bezeichnet in der Regel eine Macht oder Vorstellung, die das Leben von Menschen oder Ereignisse unabhängig von ihrem eigenen Willen in eine bestimmte Richtung lenkt oder vorbestimmt. Viele Religionen und spirituelle Traditionen beinhalten die Vorstellung von Schicksal oder Vorsehung, wobei das Leben eines Individuums oder der Lauf der Geschichte als teilweise oder vollständig durch eine höhere Macht oder einen göttlichen Plan vorbestimmt angesehen wird, dem man nicht entkommen kann. In anderen Vorstellungen kann das Schicksal durch das Handeln der Menschen beeinflusst oder sogar verändert werden, was darauf hindeutet, dass es eine Wechselwirkung zwischen vorbestimmten Ereignissen und freiem Willen gibt.
Philosophisch betrachtet werfen Konzepte des Schicksals Fragen nach der Natur von Freiheit und Determinismus auf. Determinismus ist die philosophische Auffassung, dass alle Ereignisse, einschließlich moralischer Entscheidungen, vollständig durch vorhergehende Ursachen bestimmt sind. Diese Perspektive schließt die Möglichkeit von Zufall oder freiem Willen als Einflussfaktoren auf das Eintreten von Ereignissen aus.
Französische Existenzialisten wie Jean-Paul Sartre und Albert Camus hingegen lehnten die Idee eines vorbestimmten Schicksals ab und betonten stattdessen die Bedeutung der individuellen Freiheit und Verantwortung. Jean-Paul Sartre vertrat die Auffassung, dass Menschen zur Freiheit verurteilt sind, indem er argumentierte, dass wir immer die Wahl haben, wie wir auf die Bedingungen unseres Lebens reagieren. Für Sartre gibt es kein vorherbestimmtes Schicksal; die Essenz eines Menschen entsteht vielmehr durch seine Handlungen. Er ist berühmt für den Satz „Die Existenz geht der Essenz voraus“, was bedeutet, dass Menschen zuerst existieren, sich in der Welt finden und dann durch ihre Entscheidungen und Handlungen ihre Essenz (oder Natur) selbst definieren.
Albert Camus, obwohl oft mit dem Existenzialismus in Verbindung gebracht, prägte eher den Begriff des Absurden, der die Suche nach Sinn in einem sinnlosen Universum und den Konflikt zwischen menschlichen Bestrebungen nach Bedeutung und der indifferenten Welt beschreibt. Camus Antwort auf das Absurde war die Revolte – ein ständiges Sich-Widersetzen gegen das Schicksal oder die scheinbare Sinnlosigkeit des Lebens, um dadurch dem eigenen Leben Sinn zu verleihen. In „Der Mythos des Sisyphos“ argumentiert Camus, dass das Bewusstsein und die Akzeptanz des Absurden zu einem authentischeren und freieren Leben führen können, frei von der Illusion eines vorbestimmten Schicksals.
Die Systemtheorie, insbesondere wie sie in sozialwissenschaftlichen und biologischen Kontexten entwickelt wurde, bietet oft eine komplexere Sicht auf Determinismus, die sich von streng linearen oder mechanistischen Vorstellungen entfernt. Sie betont, dass Systeme (seien es soziale Systeme, ökologische Systeme oder andere) durch eine Vielzahl von Wechselwirkungen gekennzeichnet sind, die emergente Eigenschaften erzeugen können. Emergenz beschreibt, wie aus der Interaktion einfacherer Komponenten neue und oft unerwartete Phänomene entstehen, die auf der Ebene dieser Komponenten nicht vorhanden oder vorhersagbar sind. Dies bedeutet, dass das Gesamtsystem Eigenschaften hat, die über die Summe seiner Teile hinausgehen. Diese Sichtweise impliziert, dass das Verhalten von Systemen zwar bestimmten Regeln und Mustern folgt, aber nicht unbedingt im klassischen Sinne deterministisch vorhergesagt werden kann, da die Interaktionen innerhalb des Systems zu nicht-linearen und oft unvorhersehbaren Ergebnissen führen können. Die Systemtheorie neigt daher dazu, einen Rahmen zu bieten, der sowohl strukturelle Bedingungen als auch die Möglichkeit von Veränderung und Anpassung innerhalb von Systemen anerkennt.